Der Steinbock a.k.a. Ziegenfisch
Figürliche Darstellung des Steinbocks/Ziegenfischs
(Bild: Kosmos Verlag/Kay Elzner)
In den allermeisten Darstellungen zeigt das Sternbild Steinbock keinen Steinbock, sondern eine Ziege mit Fischschwanz – einen Ziegenfisch. Woher dieses mystische Wesen stammt, erklärt Susanne M. Hoffmann in ihrem Buch „Wie der Löwe an den Himmel kam“:
Ein treuer Begleiter des babylonischen Gottes der Weisheit Ea ist dieses Mischwesen – halb Fisch, halb Ziege. Es ist sicher, dass dieses Sternbild mit dem Tierkreis aus Babylon kam. Dort hieß es Ziegenfisch und war ein gutartiger Dämon, der in zahlreichen Kulten genutzt wurde – z. B. im Medizinkult. Daher wurde er sehr oft bildlich dargestellt; nicht unbedingt das Sternbild selbst, sondern Abbildungen des Dämons sind in Reliefs und als Skulpturen überliefert.
Bereits in sumerischer Zeit galt Ea als einer der höchsten Götter und im babylonischen Pantheon als derjenige, der stets den Menschen half, wenn andere Götter sie bestrafen wollten. Krankheiten wurden ebenfalls als Strafe der Götter gedeutet und so war der mit Ea verbundene Ziegenfisch ein gutartiger Dämon, der bei der Genesung half.
Die Figur des Ziegenfisches ist auch in römischer Zeit wieder in der Kunst präsent: Auf dem Tierkreis von Dendera in Ägypten, der aus dem ersten Jahrhundert v. Chr. stammt, ist ein Ziegenfisch abgebildet und im Sternkatalog von Ptolemaios lässt sich aus den Namen der Sterne schließen, dass er es genauso dachte. Beide Quellen datieren in die griechisch- römische Zeit, d. h. auch die Abbildung in Dendera ist nicht mehr wirklich ägyptisch, sondern eine Ägyptisierung von fremden – d. h. griechischen und babylonischen – Sternbildern. Die dort in ägyptischem Zeichenstil abgebildeten Figuren sind eine kulturelle Mischung, wobei unklar ist, ob die babylonischen Einflüsse durch die griechischen Eroberer oder bereits vorher direkt von Babylon nach Ägypten gelangt sind. Die Figur des Ziegenfisches wird mindestens ab der Spätantike im arabischen und lateinischen Mittelalter gleichermaßen verwendet. Sie zieht sich also seit Ptolemaios bis zu den letzten bildlichen Sternkarten im 18./19. Jahrhundert.
Auf Deutsch wird diese Figur normalerweise Steinbock genannt, obwohl sie griechisch eigentlich der Ziegengehörnte heißt. Die offizielle Bezeichnung des Sternbilds der IAU ist ebenfalls Sea Goat, also Meeresziege – die deutsche Form Steinbock ist also schlichtweg ein falscher Begriff. Laut Eratosthenes ist damit eine Gottheit gemeint, die im Aussehen dem ziegenbeinigen Aigipan ähnelt, da die Darstellung von diesem inspiriert ist. Eratosthenes beschreibt ihn als Figur mit dem Unterleib eines Tieres und Hörnern auf dem Kopf. Der Oberkörper ist jedoch der eines Mannes. Auf dem Farnese-Globus, dessen Vorlage in hellenistische Zeit datiert wird, ist nur der Ziegenkopf abgebildet. Der Rest der Figur fehlt aufgrund von architektonischen Elementen, die in dieser südlichsten Himmelsgegend den Globus verdecken. Da es sich um einen Ziegenkopf und eine Ziegenbrust handelt und nicht um einen Menschenkopf mit Hörnern, ist wohl auch hier die Darstellung als Ziegenfisch und nicht als Aigipan angelegt.
Es ist nicht klar, ob und wenn ja, ob in allen Zeiten Aigipan mit dem bekannteren Hirtengott Pan gleichzusetzen ist. Jedenfalls ist Aigipan wohl ein Milchbruder des Zeus. Daher unterstützte er auch die olympischen Götter beim Kampf gegen die Titanen: Angeblich fand er ein Muschelgehäuse, das wegen seines Schalls „panisch“ genannt wird. Als die Titanen dieses Geräusch hörten, ergriffen sie die Flucht.
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